Schülerrezension zu Bestseller von Daniel Kehlmann

Sich intensiv und kritisch mit Literatur aktueller Autoren auseinanderzusetzen, ist eines der Ziele des Deutschunterrichts. Daniel Kehlmann, Beststeller und Liebling der Kritiker, schrieb 2009 den erfolgreichen Roman „Ruhm“, der in der Einführungsphase analysiert und in nachfolgender Rezension von Maximilian Jobst besprochen wird.

 

Die nachfolgende Rezension eines Schülers entstand im Rahmen der Epikreihe „Kurzgeschichten“, in welcher der Roman „Ruhm“ von Daniel Kehlmann im Unterricht der Jahrgangsstufe EF unter den Gesichtspunkten Gattungsmerkmale, literarisches Erzählen und Textanalyse behandelt wurde. Nachdem auch eine filmische Interpretation des Buches vorgenommen wurde, gestalteten die Schüler und Schülerinnen eine eigene Rezension zu jenem Roman.

Liebt gute Literatur: Maximilian Jobst.

Habt ihr schon mal versucht, Ruhm, Status oder sonstige Vorteile zu ergattern und seid dabei gescheitert? Wenn nicht, ist das lobenswert, wenn doch, dann solltet ihr die Figuren dieses Buches kennenlernen. Wir haben im Deutschunterricht den Roman „Ruhm“ von Daniel Kehlmann behandelt. Er wurde 1975 in München geboren und lebt in New York und Berlin. Das 2009 erschienene Werk mit 203 Seiten avancierte zu einem seiner herausragendsten Bestseller, was unter anderem dadurch hervorgehoben und bestätigt wird, dass unser Autor hierdurch sogar den „Prix Cévennes“ für das beste europäische Buch 2009 erhielt.

Hier haben wir ein Werk, das sich durch seine abwechslungsreiche und zugleich puzzleartig kohärente Figurenkonstellation auszeichnet. Letzteres deshalb, weil sich Zusammenhänge und genauere Beziehungsdaten zwischen den Charakteren erst nach und nach herauskristallisieren: Im Verlauf des Romans erkennt man die Muster und mit jeder Seite wird alles ein bisschen deutlicher. Es fühlt sich nicht wie ein linearer Zeitstrahl an, den man abliest, bis man genau das erreicht, was man bereits erwartet hat, sondern, als passiere alles, was man nacheinander liest, auf verschiedene Arten, zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten – und durch verschiedene Augen. Es sind insgesamt neun Kurzgeschichten, geschrieben in leicht variierenden Erzählperspektiven, Sprachregistern und außerdem an vielen verschiedenen Lokalitäten – von Zentralasien bis Rio de Janeiro.

Auch in Hinblick auf die Figuren fällt in der Regel direkt auf, dass es keinen Protagonisten gibt, wir erleben eine Geschichte durch mehrere Figuren, obwohl einige natürlich viel wichtigere Rollen spielen als vereinzelt auftretende, was jedoch nicht bedeutet, dass diese keinen Einfluss auf die Geschichte haben können. So gesehen kann man sich eine Hand voll Personen nehmen und diese als Hauptfigurengruppe einstufen. Es geht hier um das komplex verstrickte Netzwerk der Charaktere, Ereignisse und Persönlichkeiten bzw. Eigenschaften, wie sich die unwahrscheinlichsten Umstände beeinflussen, die Gefühle und Probleme des einen zum Verhängnis des anderen werden und weitere, scheinbar banale Angelegenheiten, die in diesen schon recht skurrilen, aber eben auch besonderen Roman münden. Durch die schon genannten Perspektivenwechsel, aber auch die kleinen Details hier und da, die sogenannte Metafiktion (Das Erfundene im Erfundenen, also Fiktion innerhalb des Romans) sowie die Tatsache, dass die Erzählung nicht immer in chronologischer Richtigkeit erfolgt, verleiht Kehlmann dem Werk das, was es einzigartig macht, zumindest so lange bis man ein weiteres Buch dieser Sorte findet, was aber so schnell nicht passieren wird. Somit unterscheidet sich die Struktur des Buches, und damit eben die ausschlaggebende Erlebnisebene des Lesers, grundlegend von allem, was man zuvor, sei es innerhalb oder außerhalb des Deutschunterrichts, gelesen hat.

Das Cover mag nicht besonders auffällig sein, der Titel etwas abstrakt und daher nicht unbedingt attraktiv wirken, da man keine sofortige, konkrete Vorstellung dessen bekommt, was man im Buch interessant finden könnte – denn das simple Schlagwort „Ruhm“ kann auf eine gewaltige Bandbreite an Kontexten bezogen werden. Andererseits mag dies auch gerade der Grund sein, warum es Leute kaufen, da bin ich mir nicht sicher, und von Person zu Person unterschiedlich ist es ja sicherlich sowieso… Das Buch ist schnell durchgelesen, man kann es an einem Abend schaffen.

Was man, wie ich finde, nicht behaupten könnte, ist, dass der Inhalt des Buches jegliche Art von Wert für das eigene Leben beherberge. Es gibt keine wirkliche Moral, keine Lektion, außer der sich an manchen Stellen der Tragödie nähernden Kenntnisnahme dessen, was durch Gier nach Ruhm, Ruf und Macht entfesselt werden kann. Die Leute verlieren sich selbst, wollen ihre Identität tauschen, lassen sich durch die entsprechenden Umstände dazu verleiten, sich immer mehr in ein anderes Ego hineinzusteigern. Nebenbei wurde das Werk auch vielfach als Kritik der heutigen Technologie rezipiert, um aufzuzeigen, wie Internet, digitale Medien & Co. die heutige Gesellschaft beeinflussen und geradezu kontrollieren.

Wie es sich für Kurzgeschichten gehört, sind Handlungsatmosphäre und alles Materielle, also sozusagen all das, was sich außerhalb der Stilistik, Metaebene etc. befindet und einfach nur vorkommt, grundsätzlich düster, dunkel und tatsächlich ein bisschen unangenehm. Der Einstieg in die einzelnen Teilgeschichten erfolgt stets unmittelbar und abrupt. Dadurch, dass die noch so brillante Kombination aller Aspekte, die das Werk zu bieten hat, letzten Endes auf stupiden, geradezu trivialen Alltags-, Firmen-, Papier-, und Büroproblemen gründet, dürfte uns die Handlung nicht immer faszinieren, doch andererseits ermöglicht sie bloß das Grundgerüst für viel mehr, was dahintersteckt. Hier geht es aber eben, zumindest meiner Meinung nach, nicht um irgendeine versteckte Moral, sondern um das vollkommen Verrückte, was man im Zuge des Lesens erlebt – es ist ein Buch zugunsten des Lesemoments, nicht zum Lernen.

Obgleich man dieses Stilmittel auch in anderen Romanen antreffen mag, ist durchaus noch zu erwähnen, dass manche Elemente der gesamten, aus den neun Kurzgeschichten bestehenden Makrogeschichte schlussendlich gar nicht bekannt werden, so dass sich der Leser wieder einmal seinen eigenen Teil dabei denken und Vermutungen entwickeln kann.

Zusammenfassend kann man das Buch also in der Tat an die nächsten Jahrgänge empfehlen, es ist meiner Meinung nach deswegen so gut für den Deutschunterricht geeignet, weil es in sich, in seinem Grundaufbau, eine eigene Kunst, ein eigenes Genre, zu bilden scheint, dem man so vorher noch nicht im Unterricht begegnet sein dürfte, wodurch dann auch noch bedeutsame, neuartige Erzählmöglichkeiten mehr Leuten offenbart werden.

Text: Daniel Heisig-Pitzen, Julia Schönbach
Foto: Julia Schönbach
Rezension: Maximilian Jobst, Eph

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