"Ein faszinierendes Erlebnis, das wir nie vergessen werden"
MINT-Workshop: Maike Manderfeld und Dominik Meier forschen in Israel
Das MindsOnMINT-Science-Camp wurde anlässlich des 50. Jahrestages der deutsch-israelischen Beziehungen vom Pädagogischen Austauschdienst der Kultusminister organisiert und brachte dabei fast 50 Jugendliche aus Israel und Deutschland zu einem interkulturellen aber auch wissenschaftlich orientierten Austausch am Weizmann Institut in der israelischen Stadt Rehovot zusammen. Das Programm bot dabei neben wissenschaftlicher Aktivitäten eine Vielzahl von Möglichkeiten des kulturellen Austausches, der auch Ausflüge in das Umland beinhaltete. Dementsprechend euphorisch waren wir, als wir als Schüler des Adolfinums Teil des Programmes werden durften.
Um ein wenig auf den bevorstehenden Kulturschock vorbereitet zu werden, gab es für die deutschen Teilnehmer ein eintägiges Vorbereitungsseminar in Köln. Es fand ein doch recht intensiver Crashkurs über die Geschichte Israels statt, der später durchaus brauchbar sein sollte. Die beim Essen heiß diskutierte Frage, ob der Tagesordnungspunkt „Sprachanimation“ auf Englisch oder Deutsch stattfinden wird, und was sich überhaupt dahinter verbirgt, beantwortete sich dabei recht schnell, als plötzlich keiner mehr bekannte Buchstaben auf der Tafel sah, und uns erklärt wurde es handle sich um Hebräisch. Das hätte man als Israelreisender natürlich erahnen können. Da unsere Kenntnisse danach trotzdem kaum über ein einfaches „Schalom“ hinausreichten, waren wir sehr erleichtert zu erfahren, dass alle Straßenschilder auch auf Arabisch und Englisch zu lesen sind.
Am nächsten Tag ging es dann ohne viel Schlaf um fünf mit dem Bus zum Flughafen, und lange zehn Stunden später waren wir auch schon in Israel angekommen. Leider hatten dasselbe nicht alle Koffer geschafft, sodass es für einen von uns erst mal Shoppen bei H&M in Israel hieß. Schon bei der Bustour nach Rehovot zum Weizmann Institute fiel die unheimlich karge Landschaft auf, die in den Städten durch ausgeklügelte Bewässerungssysteme zum Leben erweckt wird. Das anschließende Kennenlernen der israelischen Teilnehmer war schließlich sehr herzlich und es wurden unsere Social Instructors vorgestellt, die uns die nächsten zehn Tage begleiten würden. Sie sind selbst Studenten am Weizmann Institut und konnten uns so bei ziemlich allen Problemen weiterhelfen.
Unsere Schlafunterkünfte waren im Youth-Village des Weizmann Institut, welches wie ein kleines Dorf mit zusammenstehenden jeweils 4-Bett-Häusern ausgestattet ist, und wir wurden jeweils zu zwei Israelis und zwei Deutschen in die Häuser eingeteilt. Allzulange hatten wir allerdings sowieso nicht für das Einrichten, denn die ersten Kennlernspiele warteten schon. Zudem bereiteten wir uns auf unseren ersten Ausflug in den Süden vor.
Die am nächsten Morgen startende zweitägige Reise in die Wüste war dabei eines der faszinierendsten Erlebnisse in Israel. Die circa vier stündige Busreise brachte uns in eine Landschaft, die riesige Weiten offenbarte. Bei einem Besuch des legendären Burgpalastes „Massada“, welcher auf einem abgelegenen Felsblock mitten in der Wüste errichtet wurde, konnte man die unglaubliche Hitze und Kargheit der Landschaft förmlich spüren. Faszinierend war vor allem die Erklärung wie die Zisternen und Wasserwege funktionierten, die in der Lage waren eine Wasserversorgung sogar während einer mehrjährigen römischen Besatzung um ca. 73. nach Christus zu sichern. Noch viel surrealer wirkte jedoch der Blick nach Osten hinunter von Massada, denn ein Meer hatte bis jetzt so überhaupt nicht in das Bild von Wüste gepasst, welches man sich so normalerweise macht. Doch das spätere Baden im Toten Meer war sowieso alles andere als normal. Schon beim Hineinlaufen merkte man sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Überall war Salz auf dem Boden, und statt zu erfrischen war das Wasser eher lauwarm. Zudem fühlte man sich beim Liegen im Wasser eher wie eine Boje als ein Mensch, denn es war einfach unmöglich unterzutauchen. Trotz der vielen Warnungen der Reiseleiter aufzupassen, dass das Wasser nicht in die Augen kommen möge, ist das früher oder später trotzdem bei fast allen Teilnehmern passiert. Die einzige Rettung war da die Frischwasserdusche welche zum Glück am Strand der kleinen Badeanlage existierte. Nachdem letztendlich jedoch alle wieder wohlauf in den Bus eingestiegen waren, ging es zu unserer Nachtunterkunft, eine in der Wüste gelegene Eco-Range, deren Schlafplätze sich gut mit dem Begriff „Matratzenlager“ beschreiben lassen. Das Essen dort war jedoch vorzüglich, und vor allem die gebratenen Kürbisstücke ernteten viel Lob. Zur großen Freude einiger Teilnehmer gab es sogar einen WLAN-Hotspot, der dort sicherlich am wenigsten erwartet wurde.
So schlugen wir uns bei einem wärmenden Lagerfeuer die Nacht um die Ohren, denn bei 37 Grad am Mittag waren einige nicht auf die bevorstehende Kälte vorbereitet, bei der einige sicherlich lieber zwei als eine Baumwolldecke auf ihrer Matratze gehabt hätten. Doch das wach bleiben lohnte sich sowieso, denn in dieser Nacht konnte eine Mondfinsternis betrachtet werden, und durch die fehlende Lichtverschmutzung in der Wüste waren vor allem durch die Abdunkelung des Mondes in der Nacht unzählig viele Sterne sichtbar, die allesamt ein atemberaubendes Bild ergaben. Das offene Zelt sollte zudem noch einen weiteren Vorteil bieten, denn so war es ohne Probleme möglich den beeindruckenden Sonnenaufgang zu beobachten, ohne aufstehen zu müssen.
Am nächsten Tag stand dann eine Wanderung durch die Wüste auf dem Programm. Die eindringlichen Hinweise nach einer Kopfbedeckung, genügend Sonnencreme und mindestens drei Litern Wasser waren dabei lebensnotwendig, denn insgesamt verbrachten wir nahezu fünf Stunden beim Wandern. Zugute kam dabei jedoch die Beschaffenheit der Felsenwüste, die immer wieder kleine Pausen im Schatten, sowie eine ausgiebigere Mittagspause in einer Felsschlucht ermöglichte. Ein weiteres Mal bewusst wurde hier jedoch das Ausmaß der Trockenheit und Weite der Wüste.
Später am Tag besuchten wir noch Awdat, eine seit dem vierten Jahrhundert vor Christus bis in die byzantinische Zeit bestehende Wüstensiedlung, die durch die Kontrolle einer Gewürzstraße zu Wohlstand geriet. So konnten wir dort unter anderem eine sehr gut erhaltene alte Weinpresse und verschiedene Kirchen begutachten. Das Abendessen, das zur großen Freude vor allem Deutscher Teilnehmer diesmal eine nicht vegetarische Mahlzeit war, nahmen wir schließlich in einem Kibbutz ein. In diesen für Israel typischen meist sozialistischen Kollektivsiedlungen leben die Menschen häufig sogar mit gemeinsamen Eigentum. Das Aussehen kam dabei am ehesten einer Ferienanlage mit vielen ähnlichen Häusern gleich.
Nach diesen zwei sehr ereignisreichen und anstrengenden Tagen fiel der Schwerpunkt in den nächsten Tagen eher auf den wissenschaftlichen Aspekt des Camps. Und so schossen wir in einem Physik-Vortrag scharfe Bilder von zerplatzenden Ballons, besuchten das als Museum ausgebaute Haus des ersten Präsidenten von Israel, Chaim Weizmann, und lernten etwas über eine Revolution in den Naturwissenschaften, die mittlerweile mit „Big Data“ statt mit manuell durchgeführten Experimenten in der Physik, Chemie und der Biologie versucht die Welt zu erklären. Sehr eindrucksvoll war dabei der Vortrag des Biologen Efi Massasa, welcher Experimente zum Orientierungssinn von Mäusen vorstellte, und die Mäuse dabei direkt mitbrachte. So konnten wir genauestens Beobachten, wie die Maus ihren Weg zurück in die sichere Box sucht und schließlich auch findet. Bei den Aktivitäten wurde stets für einen guten Ausgleich zwischen Vorlesungen und eigenen Experimenten gesorgt. So konnten wir zum Beispiel unser neues Wissen aus Vorträgen über das Präsentieren von wissenschaftlichen Erkenntnissen allgemeinverständlich am nächsten Tag direkt in eigenen Vorträgen vor der Gruppe erproben.
Besonders wichtig für das Programm war zudem die Diskussionsrunde über die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Deutlich wurden dabei die enormen Schwierigkeiten, die eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen der beiden Länder brachten, immer vor dem schwierigen Hintergrund des Holocaust. Dass dieses Thema für Israelreisende unumgänglich ist, wurde spätestens am nächsten Tag durch einen Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem deutlich, die auch ein Museum umfasst. Es stellte ein bedrückendes und unheimliches Gefühl dar, plötzlich in einem Museum in Israel alles zu verstehen, von den Briefen bis hin zu deutschen Schildern und Anweisungen. Die auf den Museumsbesuch folgenden Gesprächsrunden verdeutlichten dabei häufig die Hilflosigkeit aber auch Fassungslosigkeit, die dieses Kapitel der deutschen Geschichte in allen Teilnehmern hervorrief.
Doch die sehr freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Jugendlichen im Camp gaben dennoch das Gefühl, das man mittlerweile den Hass und die Vorurteile abgebaut hat, obwohl man die Schrecken der Geschichte immer im Hinterkopf behält.
Am darauf folgendem Tag folgten zwei weiteren wissenschaftliche Vorlesungen, die eine über Schall und wie man sein eigenes Ohr als Lautsprecher benutzen kann, und die andere über die Moral von Wissenschaften, und wie viel moralische Verantwortung Wissenschaftler für ihre Entwicklungen und Entdeckungen übernehmen sollen. Danach konnten wir uns im institutseigenen Schwimmbad entspannen. Und den Nachmittag genießen.
Am nächsten Tag standen schließlich interaktive physikalische Experimente im „Garden of Science“ an, und dort auch ein Bauwettbewerb für mathematische Körper. Nachmittags fuhren wir in den Stadtteil Jaffa von Tel Aviv, der durch seinen mediterranen Baustil Wirkung hinterließ. Zudem konnten wir dort endlich einmal an den Strand vom Mittelmeer, und den Sonnenuntergang dort genießen. Da dies schon der letzte gemeinsame Abend war, da die Israelischen Teilnehmer aus organisatorischen Gründen leider nicht alle mit nach Jerusalem kommen konnten, gab es noch einen Auftritt des Musikers Tal Kravitz. Dieser faszinierte dabei durch seine schier unendliche Anzahl an Musikinstrumenten, von einer einfachen Säge bis hin zum Dudelsack fehlte nichts. Zudem versuchte er sich an bayrischen Volksliedern, was die Ingolstädter Teilnehmer besonderes erfreute. Und wie es sich für ein Jugendcamp gehört fehlte auch die Abschlussparty natürlich nicht.
Am nächsten Morgen hieß es dann leider Abschied nehmen, was vor allem für die israelisch-deutschen Pärchen, die sich vereinzelt gebildet hatten emotional sehr hart war, aber auch für alle anderen war die Trennung schwer. Nach der Verabschiedung fuhren wir als deutsche Teilnehmer dann noch nach Jerusalem, und besuchten unter anderem das Parlament und einen Markt, der allein aufgrund seiner Gewürzstände ein Erlebnis bot. Obwohl ein Besuch der Altstadt aufgrund der Sicherheitslage leider nicht möglich war, konnten wir uns mit einem Ausblick über die Stadt die Schönheit und Faszination von Jerusalem ausmalen. Nach diesem Ausflug war jedoch auch für uns der offizielle Teil des Programms beendet, und in der Nacht flogen wir zurück.
Es ist schwierig die Vielzahl von Erlebnissen und Eindrücke in diesem sehr abwechslungsreichen Land zusammenzufassen. Die großen Unterschiede in der Landschaft, den Städten, aber auch den Menschen erstaunen, und zeichnen ein lebendiges und abwechslungsreiches Bild von Israel.
Die Floskel „It’s a miracle“, es ist ein Wunder, hört man häufig. Seien es die heutzutage sehr guten Beziehungen von Deutschland zu Israel trotz der schwierigen Geschichte, das Wasser in der Wüste, oder die Pflanzen auf dem Campus des Weizmann Instituts in der Dürre der Umgebung. Und man könnte noch viele Beispiele anführen, wie die Wasserversorgung auf Massada, doch diese Wunder mit eigenen Augen zu sehen zusammen mit Jugendlichen aus ihrem Land, die selber so unterschiedlich wie das Land selber waren, war ein absolut positives und faszinierendes Erlebnis, das wir nie vergessen werden.
Text & Fotos: Maike Manderfeld und Dominik Meier
— [Thomas Kozianka]